Cannabis

Veröffentlicht in 2. April 2024

Am Morgen machen sich drei Frauen auf. Drei, die geblieben sind unter dem Kreuz. Sie sind bereit gewesen, dem Tod ins Auge zu schauen, ihn als Teil des Lebens zu akzeptieren. Es geht den Frauen, wie mir. Längst akzeptiert, dass Geld die Welt regiert und Gewalt sich durchsetzt. Dass für die Produktion unserer Güter riesige Verwüstungen angerichtet werden. Hilfloses Schulterzucken. Hat mein gewähltes Verhalten irgendwelche Auswirkungen. Bewusst oder unbewusst. Wer soll den Stein bewegen? Der, der den Eingang, den Zugang blockiert.

Ostern 2024. Hatte keine Freude/Lust auf ein Büßer-Denken. Auf Schuld auf meinen Schultern. Auf ein HA HA HALLELUJA. Ich stimme ein. Mein Ostern ist auf dem Weg zur Morgenandacht. Die Stille. Der Umweg (ich weiß nicht wieso). Ungewohnter Weg. Die Kirche in der irgendein Mensch in aller Herr-Gotts-Frühe die Orgel spielt. Wunderbar. Ich gehe meinen Weg aus der Nacht in den Morgen. Bis zum Sonnenaufgang ist es noch ein Stück.

Die Ruhe und die mächtige Größe der Kathedrale zu Bordeaux. Aus störenden Steinen gebaut? Mag sein. Natürlich nicht. Aber was treibt es den Menschen diese Bauwerke anzustreben? Die Suche? Finden wir Gott darin oder ein weiterer Stein, der vieles verschließt, derwohl offen? Kerzen können gekauft werden.

Ein (meiner Meinung nach) grotten schlechtester Politiker, mit den gleichen Initialen wie ich, sagt GoodBye. Dänisch wirklich good. Der Regen am Morgen hört plätschernd, vielleicht auch widerwillig, auf. Eine Radrunde macht Lust auf mehr. Good. Ich ess Pommes – nicht in Madrid. Ok. MVP (Mathieu van der Poel) gewinnt die Flandern-Rundfahrt. Beeindruckend. In Stuttgart warten Menschen, geduldig oder auch nicht, um Einlass zu finden. Ein Bahnhof im Rohbau. Immerhin so weit erstmal. Pilgern aus Langeweile mangels Alternativen oder Leidenschaft für Entstehendes? Ich klingel wie von Sinnen um Aufmerksamkeit zu erlangen in der Menge der Umherirrenden und Wartenden. Paradoxie. Niemals anstehen – für nichts in der Welt.

Es sind nur drei Frauen geblieben. Oder immerhin. Drei, um dem Tod ins Auge zu schauen, ihn als Teil des Lebens zu akzeptieren. »Der Tod zwingt den Menschen, das Leben auszukosten«, soll Friedrich Nietzsche gesagt haben. Der Stein ist zur Seite gerollt. Surprise. Das Grab leer. Huch. Aufstehen. Weiter. Leben leben Leute, nichts steht im Weg. Überwinden. Das ist Ostern und Frühling.

Saint-Jean

Veröffentlicht in 27. März 2024

Tagesgedanken Murr x Bordeaux (Mittwoch 2)

Ein weich gekochtes Ei. Natürlich keine Hexerei, aber auch ganz schön tricky. So in einem Wasserbad. Beim Skifahren im Montafon vor Jahren war es ein Schlammassel. Beachte Meereshöhe. Siedepunkt des Wassers und so. Heute, das perfekte Frühstückei. Kleine Pfannkuchen und Quark mit Früchten. Die Canelés Bordelais, süße Minikuchen und eine Spezialität, blieben unversucht. Nen Bordeaux habe ich ja auch nicht getrunken. Touristen besuchen hier Weingüter. Prima.
Nach einem Regentag heute wieder Sonnenschein. Meine »Tour de France« sind Erinnerungen an wunderbare, teils harte Tage. Erinnerungen schaffen und davon zehren. Es geht mit dem TGV heimwärts. Quer durch Frankreich in fünfeinhalb Stunden. Die Hügel links und rechts der Schienen wirken sanfter.


Die Organisation am Bordeaux Saint-Jean, allein der Name klingt heilig, perfekt. Viele Menschen. Treppen und Rampen. Zugang zum Bahnsteig nur über ein Ticket. Ich mag das. Entschleunigung. Neu für mich, der Transport eines Rades unmontiert, d.h. nicht eingepackt auf eine Maximalgröße. Wenn du ein Fahrradticket buchst, hast du automatisch einen Sitzplatz in direkter Nähe. Herr Weselsky, dafür lohnt es sich zu kämpfen. Service.
Und gestern so? Nichts. Hotellobby. Getränkepreise: Cola 6€, alkoholfreies Bier (Fastenzeit) 8€. Durstlos oder boben, wie wir es in jungen Jahren definiert haben. Es gibt kein deutsches Wort für satt in Bezug auf durstig. Es reimt sich im deutschen nichts auf Mensch, wie Grönemeyer singt. Die Sofas bequem und umsonst. Lesen. In der Kathedrale von Bordeaux gewesen. Ruhe genießen. Dankgebet und gut. Bin nicht so für City-Tourismus zu haben. Immer weniger. Wenn Auswärtsspiel ist, das ist aber was anderes. Zu dem habe ich mir Bordeaux nicht ausgesucht. Es ist so geworden. Madrid wäre ähnlich.
Der TGV fährt über das Disneyland in Paris. Nicht quer sondern einen Bogen. Die Ankunftszeit bleibt gleich.Mit bis zu 313 KM/h. Hola. Der TGV vibriert und wackelt wie ein Flieger, der durch ne Wolkenwand donnert. Bin reichlich mit Grapefruitsaft ausgestattet. Ungesüßt und leicht säuerlich hat dieser in den Pausen meinen Gaumen beglückt. Geschmack. Hatte als Notreserve Ingwer eingepackt. Mit Gepäck unterwegs halte ich gerne kurz inne um zu trinken. Zeit haben und nehmen.

Rafah wird bombardiert. Wenn Menschen Menschen jagen. Was eine Scheisse.

Ich schau nach links. Rechts. Alles dran. Aber irgendwie auch cooler Service. 15 Uhr. Es geht über den Rhein. Zurück in Deutschland. Ich war schon lange nicht mehr so lange weg. Polizisten mit Maschinengewehr im Anschlag steigen in den Zug. Diskussionen. Ruhig. Habe in den ganzen Tagen in Frankreich keinerlei Gendarmerie gesehen. Einzig jede auch noch so kleine Häuseransammlung hat ihre Mairie. Die Bürgermeisterei. Geht wohl auf Napoleon zurück. An einer längeren Rampe überlegte ich mir zum Zeitvertreib die Namen von französischen Präsidenten. Drei waren klar – einen konnte ich nur aussprechen. De Gaulle, Mitterand, Macron und Est‘aing oder so.

Toni Kroos verlängert bis 2025 bei Real Madrid. Im Jackpot sind 17 Millionen.

Durchsage: Nächster Halt Bietigheim-Bissingen. Bin froh wenn ich dem IRE entsteigen kann – ein Mann redet (leise) seine Frau und seine Umgebung müde. Dazu ne Flasche Becks trinkend. Dann bringt er es weg. Ruhe nur ein Kind schreit sich die Seele aus dem Leib. Alles gut. Wie fahren über das Viadukt. Eine Regenfahrt steht an. Ausgerechnet. LED-Blinker an. Die letzten Kilometer bis Murr.

c’est tout

Veröffentlicht in 25. März 2024

Tagesgedanken Murr x Die Stadt (Montag 2)

5:30 Uhr. 2°. Die Vögel beginnen ihr Morgenkonzert. Die Nachtruhe ist vorbei und erinnert mich an meine durchradelte Osternacht. Vor paar Jahren.
Die heutige Nacht war ok. Wenn du dein Zelt irgendwo aufbaust, mit allen Unwägbarkeit, ist es eh mehr ein ruhen als ein schlafen. Du planst quasi jede Bewegung. Schiebst deinen Schlafsack und dich in Position. Träume sind Zeichen des Schlafens. Dazu die Außengeräusche. Autos, die einen schneller (lauter) die anderen langsamer (leiser) über Wellenbrecher fahrend. LKWs. Ich meine am Klang einen Bus erkennen zu können. Wetten-Dass gibt es nicht mehr. Unsere Idee dorthin eingeladen zu werden war eh eine andere. Die Idee ist – wie sovieles – in fröhlicher Runde hängen geblieben.

Erster Blick auf die Wetter App. Das Regengebiet wird auf Montagabend erwartet. Kompletten Dienstag ebenfalls Schlechtwetter angesagt. Hmmm.

Übrigens: dieses Vögelgezwitscher ist keine Störung der Nachtruhe. Es ist ein absolutes Luxus aufwachen. Dazu frische Luft. Hat eine komplett andere Qualität, als sich unter der Bettdecke, noch einmal zu drehen und weiter zu dösen. Ich bin schlecht im ranken. Als was eins oder zwei, A oder B sein soll. Bin eh schlecht in Entscheidungen. Außer bei wichtigen, in Veranstaltungen beispielsweise, da bin ich voll da.

Morgen döse ich.

Jetzt: ich genieße jedes, wirklich jedes Geräusch. Lege das Handy zur Seite und genieße. Mein Gott, habe ich es gut. Aber saukalt ist halt schon. 5°.

Die Landschaft hat sich komplett verändert. Jetzt Weinberge. Flacher als bei uns. Aber die haben halt auch eine andere Sonne. Die steht steiler, daher flacher. Kann auch einen anderen Grund haben.

»Den wahren Charakter von Menschen erkennst du daran, wie sie Dinge behandeln, die sie nicht mehr haben wollen.« Der Hocker bleibt. Zumindest vorübergehend.

Wunderbarer Radweg. Es ist die ehemalige Bahnstrecke von Le Sauve nach Bordeaux. Für Eisenbahn-Liebhaber natürlich ein Ärgernis. Stillgelegt. Jetzt zum Radfahren ein absoluter Traum. Jep – manche politische Entscheidungen stehen (leider) und es gilt das Beste daraus zu machen. Blick voraus: Der ÖPNV hat ja viele Fürsprecher:innen, hope nicht nur auf dem Papier.

Fahre einen Umweg, ich will das Stadion sehen, dabei komme ich am Darwin-Camp vorbei. Was ich bisher vermisst habe: kommen an keinem Café vorbei. Trödlertag. Das Darwin ist ein alternatives Zentrum. Gastronomie und alte Sofas laden zum verweilen. Großartige Atmosphäre. Als Turnschuhverkäufer schaue ich den Menschen auf die Füße. Berufskrankheit. Genauso großartig. Alle Marken dabei, die man kennt, und die man nicht kennt. In allen Farben. Menschen, die solche tragen, führen keine Kriege (These).

Mehrfach habe ich mir den letzten Anstieg herbeigesehnt. Es soll die höchste Brücke der Stadt werden. Vier Fahrbahnen. Eine Radspur. Über den Dächern der Stadt. War froh als ich wieder unten war.

Das architektonisch Fußballstadion von Bordeaux (die Stadt!). Nen kleinen Blick in den Innenraum darf ich nicht. Ist ok. Neben hochmodernen Bauten, liebevoll restaurierten Häusern, bewohnten Bruchbuden, in direkter Nachbarschaft zerfallene Anwesen. Auch auf dem Land. Typisch Frankreich? Hier: Die Vergessenen einer Stadt. Nachdenklich.

Also Bordeaux. Zielort. Nicht geplant. So
gekommen. Frankreich 1x quer. YEAH. Alles gut. Madrid muss warten. Toni Kroos auch. Das Meer? Folgt. Etappe 1 done. Das TGV-Ticket? Schlau wie ich bin – bereits gekauft. Tage her. C’est tout.

Café au Lait

Veröffentlicht in 24. März 2024

Tagesgedanken Murr x Madrid (Sonntag 2)

Sonntag. Ich liege noch im Bett und versuche den Tag zu planen ist nicht ganz einfach verschiedene Varianten sind möglich. Übernachtung schwierig. Vorgefühl. Wenige Variationen. Sag mir, ich fahr jetzt einfach los. Der Tag wird es bringen. Der Tag wird es zeigen, wie jeder Tag bisher auch. Zuviel zu planen macht glaub ich eh keinen Sinn. So kam es auch.
Kurzzusammenfassung: beschissen gefallen – illegal geschissen.

Die meisten Höhenmeter habe ich hinter mir. Bisschen wellig ist normal. Bin gespannt, wie stark der Wind sein wird. Ich nähere mich dem Meer mit kleinen Schritten.

Frühstücken oder nicht, wieder die Frage. Bisher bin ich gut damit gefahren nicht zu frühstücken und erst mal einrollen.
Die Lichtschalter sind im Gleichtakt.
Den neunten Tag in Folge ziehe ich die selben Socken an. Sie machen einen guten Eindruck. Geruch völlig. Ok, das ist nicht immer so.

Der Kaffee gestern an der Bar. Ich sag mal, geht so. Ich glaube einen Kaffeeautomaten gibt es hier nicht. Kein Kaffee.

Irgendetwas großes muss heute sein in dieser Stadt. Rummelplatz. Polizisten sperren die Straßen ab. Ahhh… an einem Sperrschild steht es. Carneval. Auf einem anderen Halbmarathon. Schnell weg. Ich fahre langezeit auf der Laufstrecke. Irgendwann biege ich links über einen Fluss. Ein Sprecher gibt in der Ferne Informationen. Kenne ich irgendwoher.

Die Straßen sind nass.

Bäckerei gefunden. Mächtig viel los. tolle Törtchen, die zum reinbeißen einladen . Einen Café au Lait bestellt. eine heiße Schokolade bekommen. Keine Ahnung. Ich komme nicht hinter das System.

Dann der Sturz. Klassiker. Über eine Brücke scharf links hinter mir der einzigste BikePacker, den ich bisher auf der Reise getroffen habe. Guck nach hinten kurz unkonzentriert. Vorderrad rutscht weg – schwuppdiwupp – ich lege auf der Fresse. Bleib erst mal kurze Zeit liegen. Strecken. Ausprobieren. Der Schreck. Der BikePacker, ein Junge aus Utrecht fragt ob alles ok ist. Bietet mir gleich Hilfe an. Ich glaube es ist ok. Rad ok. Textil ok. Linkes Knie etwas offen er gibt mir etwas Alkohol zur Desinfektion. Äußerlich. Ist ja Fastenzeit.
Er ist unterwegs auf dem Pilgerweg mit dem Fahrrad. (@Oli: dein Traum). Bis Ende Mai. Kurze Zeit fahren wir zusammen, trinken einen Kaffee. Dann trennen sich unsere Wege wieder auch interessant. Er übernachtet in Pilgerunterkünften. Ich wusste gar nicht, dass es solche gibt, sagte ich wär zu alt dafür. Er sagt, er wär mit Abstand der Jüngste und eigentlich zu jung dafür.

Irgendwie etwas unkonzentriert. Mehrfach komme ich von der Navistrecke ab. Ist tricky –
zeigt nur 140km an. Und die Strecke. Nicht wieweit bis zur nächsten Abbiegung. Einmal fahre ich sogar im Kreis. Ich erkenne es an dem Fluss. Flussabwärts ist mein Weg. Auf einmal fließt er mir entgegen. Landschaft weitläufig. Gut zu beradeln.

Rechts eine Kirche ohne Dorf. Vielleicht eine Klosteranlage nein. Ein Krankenhaus keine Menschenseele. Ein Mann betet vor einer Tür. Schließlich finde ich, was ich gesucht habe. Eine öffentliche Toilette. YEAH. Die Tür ist nicht verschlossen. YEAH. Hose hoch. Da öffnet sich die Tür und der gerade noch betende Mann kommt herein. Trinkt Wasser aus dem Hahn. Komisch hier. Es ist eine Anlage des Gerichts. Möglichst schnell raus. Ich sehe einen Angestellten. Er sagt, das betreten der Anlage ist verboten. Ohne Druck fahre ich weiter. Herrlich.

Zwischen der L‘isle und der Dardonne wieder ein auf und ab wie in Haute Vienne. Nicht ganz so krass aber ähnliche Gefühle nur wissend, das ist nicht sehr weit ist. Zwischen zwei Flüssen ist meist ein Hügel. Wichtig: ich will nicht mehr dorthin, weil es andere Orte gibt wo ich noch nicht war. Die Haute Vienne selber ist einzigartig und schön.
Auf einmal mitten in einer Abfahrt PFFF. Vorderrad. Platten zwei. Hoffe, dass die Reparatur wieder so gut funktioniert wie beim ersten Mal. Noch habe ich Material.

Sie hat und hält.

Kochen. Haribo Erdbeeren als Dessert. Zähne putzen. Rein in den Schlafsack. Bin hundemüde und gespannt was mir morgen alles so weh tut.

böig

Veröffentlicht in 23. März 2024

Tagesgedanken Murr x Madrid (Samstag 2)

Wann und wie erwacht eine Stadt. In meinen Ohren erklingt ganz sanft der Song Big City Nights von den Scorpions. Wenn das Sonnenlicht in meinen Augen aufsteigt. Samstag. Meine Hoffnung ist, dass der Pendler-Verkehr wenig ist, aber keine Ahnung wie die, wie sie in Frankreich so ticken. Ich werde sehen. Heute Abend ist Fußball. Dazu ist es merklich kühler geworden. Lange Hose und Merinofleece ist angesagt. Vorteil: Ich muss deutlich weniger verstauen. Ich mache mir ohnehin die ganze Zeit Gedanken, was an Gepäck unnütz ist. Viel fällt mir nicht ein. Ja, ok der kleine Sitzhocker. Allein mir fehlt der Wille des Wegwurfes. Finde ich irgendwie schäbig. Zuhause kann ich mit diesem auch nichts anfangen. Hirn einschalten beim Konsum. Mache ich ab sofort. HaHaHa.
Ich könnte etwas Gewicht sparen, wenn ich meine Wasserflasche ausleere. Nimmt mir Freiheit. Also schleppe ich wieder alles mit.
Weiterer Vorteil von Systemhotels. Schlafen, Duschen, Akkus aufladen und gut. Dich hält nichts und kommst daher schnell wieder raus und weiter.
Ich bin kein Freund von portioniertem Toilettenpapier. Alles andere außer Rollenware macht einfach keinen Sinn. Und Reißfestigkeit. Nur kein Papier ist scheißer.
Verrückt: bereits Tag acht steht vor der Tür. Ich nehme mein Rad und schließe die Hotelzimmertür hinter mir. Bringe noch die beiden Lichtschalter in Gleichstellung.
Schnell einen Kaffee aus dem Automaten. Eins Fünfzig in Münzen umständlich reinwerfen. Mit so einem Schieber nach oben. Taste drücken. Kein Zucker. Es dampft und rattert. Klappe hoch. Der Pappbecher bleibt hängen. Kippt. Ich schütte mir den Kaffee über den Arm. Prima. Keine Lust mehr auf einen zweiten Versuch. Ich bin ja in einer großen Stadt. Irgendein Kaffee wird schon geöffnet haben. Mitnichten. Selbst McDonalds. Die Stadt schläft. Dafür wenig Verkehr. Ich finde den Radweg und es geht eine Rampe hoch und eine Abfahrt. War klar. Haute Vienne. Dabei ist die Vienne ein Fluss. Ich sehe die nächste Brutalo-Rampe. Es geht links ab tatsächlich dem Fluss entlang. Thanks God. Jetzt noch das CAFE GRANDE finden. Es heißt LE PARVIS. Thanks God Two.
Kurzes Strohfeuer. Ich meine, das mit der Ebene. Hügel hoch. Hügel runter. Aber ich musste ja mitten durch. Irgendwie werde ich es schaffen, das Gebiet später mal zu lieben. Ihr wisst schon. Erlebniswert versus Erzählwert. Aber aktuell: Arrivederci Haute Vienne. Hier komme ich nicht wieder zurück. Zumindest nicht mit dem Rad. Diese radikale Auf und Ab zermürbt mich. Und ich bin weiter davon weg etwas schön zu reden. Am Abend. Im Hotel wenn du auf Strava dich an den Höhenmetern erfreuen kannst. Es werden wieder über 1600 Höhenmeter sein. Das Gute ist, ich weis es noch nicht.
Verlasse die geliebten Radwege und mich komplett auf das Navi. Komoot, Beeline … Mischmasch. Bissle chaotisch.
Ein kühler böiger Winde fegt übers Land. Klamotten-Wahl schwierig. Durch den Wind, die Wolken es ist warm und kalt zugleich und schwitzen auf dem Fahrrad ist blöd. An und Aus. Ein Reinhold Helge.
Es rollt nicht. Jeder Meter ist gefühlt Kampf. Dazu eine gesperrte Straße. Natürlich fahre ich hin. Mit dem Rad kommt man oftmals durch. Nicht in Frankreich.
Ich brülle zwei Hunde an.
Könnte den kleinen Hocker verschenken. Allein mir fällt nicht ein an wen. Du bekommst ihn weil ich in Unnütz finde. Mhhhh. Versuche so wenig wie möglich zu denken. Treten. Treten. Kilometerfressen. Mal gelingt es. Mal nicht. Schleiche zwischen knapp 6 und 12 km/h über den rauen Asphalt. Rechne wann ich da sein könnte. Trete. Strecke wird besser – immer noch wellig aber besser zu fahren. Die Landschaft ist zweitrangig. Ankommen ist alles. Ich vollbringe keine Wunderdinge. Fühle mich nicht als Held oder so. Bin keiner. Nur: Planen am Rechner und Reality sind zwei paar Stiefel. Wieder lerne ich – und trotzdem … machen statt träumen. Bin dabei.


Im Hotel – zelten zu ungemütlich – plane ich den morgigen Tag. Sollte wohl überlegt sein.
Trinke ein Bier blond sans Alcohol (Fastenzeit) und schaue Fußball. Deutschland führt nach 8 Sekunden. Toni Kroos hat sich nicht bei mir gemeldet. Warum auch…
Es wird Regen geben. Ich habe ein Zugticket gekauft und will das Meer sehn.

violation de domicile

Veröffentlicht in 22. März 2024

Tagesgedanken Murr x Madrid (Freitag)

Uiuiui. Hausfriedensbruch. Der Campingplatz öffnet erst im Mai.
Jetzt heißt es Augen auf. Umschauen wo das Nachtlager aufschlagen. Ich denke es ist ein Ferienhaus komplett verschlossen und verriegelt. Kein Zaun. Kein Zaun bedeutet keine Hunde. Auf der Rückseite eine kleine Terrasse. Nicht einsehbar. Mein Schlafplatz. Immer mit dem unguten Gefühl etwas ungesetzliches getan zu haben, fremdes Grundstück betreten und so. Schnell weg.
Sitze kurze Zeit später in Felletin. Das GRAND CAFE. Genauso, wie ich es mir vorgestellt habe. Brechend voll. Die Inneneinrichtung eine Sensation. Kein Foto zu machen – ein Bild des Anstandes. Es ist eine eigene Welt, die auch funktioniert. Vielleicht besser als in der Hektik des menschlichen Treibens. Besser: Umtriebigkeit. Es ist das Gefühl des Empfindens. Ohne Umtriebigkeit kannst du die Stille nicht schätzen.


Zurück zum GRAND CAFE. Ein Trugbild? Ich weiß es nicht. Bin auf der Durchreise. Ein Ort geschaffen für eine Filmkulisse. Die Leute gefühlt alles Schauspieler. Charakterköpfe. Der Film wird bereits gedreht. Nur ich wirke hier mit meiner gelben Windjacke und den bunten Haaren deplatziert.
Sprachlich natürlich eine Katastrophe. Fünf Jahre französischer Unterricht in der Schule sind spurlos an mir vorbeigegangen. Nicht der Rede taugbar. Merci. Bonjour. Je veux. Dann mit dem Finger auf etwas zeigen. Au revoir. Ich fühle mich dumm. Punkt.
Nächste Woche an diesem Ort, einstellige Temperaturen und in der Nacht Minusgrade. Regenwahrscheinlichkeit hoch. Ich fühle mich so vom Glück beschenkt.
Reifendruck ok. Der Propfen hält. Ich rolle weiter – hügelauf hügelab.

Ein Frosch platt wie ne Flunder. Bereit zum Einkleben ins Poesiealbum. Keine Froschzäune und Wege weit und breit (Breitmaulfrosch). Die Frösche sollen springen. Freiheit den Fröschen.

Bei meinem Lieblingsverein ist mal wieder Dampf im Kessel. Im Rundbrief meines Fanclubs steht vieles Richtiges drin. Bei einem würde ich widersprechen. Egal. Zeit zu denken – dann sind die Hügel (franz. Colline) kleiner. Vielleicht sollte ich doch Präsident werden. Ne Abfahrt später lassen meine Gedanken verschwinden.
Und Standortpatriotismus ist gewünscht bezüglich Ausrüster. Es geht um viel Geld. Sehr viel. Fussball ist Geld. Kapiert es doch endlich. Wenn ich Präsident werde, würde ich meine Dauerkarte in der Kurve behalten.

Ein Wohnmobilfahrer hupt und winkt mir freundlich zu. Gleichgesinnt. Nur anders. Wohnmobilstellpätze killen Zeltplätze, zumindest Öffentliche die es hier in Vielzahl gegeben hat. Leute mehr zelten. Kann ecklig ungemütlich sein – aber geiler is schon. Habe vor Jahren mir mal geschworen, NIE mehr zu zelten. Meineid. Für mich – nicht auf die Bibel. Ich schwör.

Kleine Gänge bedeutet auf großem Ritzel zu fahren. Mein Gott, ich liebe Widersprüche.

Heute viel Wald. In der Ferne Hundegebrüll. Hunde. Meine Anzahl von Begegnungen der unschönen Art ist erfüllt. Vor Jahren wollte ich von Kathmandu nach Lhasa fahren. Mit dem Rad. Solo. Gruppenreisen verpönt. Gecancelt. Der Hunde wegen. Gilt für alle. Außer Hanni. Weltklasse. Ich zeig ’s halt nicht. Ich bin so. Manchmal Eisklotz.

Die schönste Übernachtungplätze sind im jetzt. Tagsüber siehst du natürlich wunderbare auch klar, aber das ist unnützes Denken. Aber es ist zugegeben, eine der Herausforderungen auch Stressfaktor.

15 Uhr. Gerade mal 70 km auf der Garmin. Nicht viel, aber es waren Höhenmeter angesagt. Ungefähr 100, 200 oder 300 Steigungen und Abfahrten. Du meinst, du hast ein Gefühl, wenn du oben bist. Aber ne. Geht immer weiter. Gnadenlos. Ich kann die Steigungen lesen auch wenn ich sie noch nicht sehe. Weil klar ist, dass sie kommen werden. Reine Kopfsache. Beine gut.

17 Uhr. Hotel gebucht. 20 Kilometer Umweg. Weiter Höhenmeter. Auch klar. Größere Stadt (Limoges) von der ich vorher noch nie was gehört habe. Toller Bahnhof. Ein älterer Mann spielt Klavier. Ein Kind klimpert. Was eine Atmosphäre. So kann Bahnhof sein. Die Einfahrt in die Stadt mit einer Rampe (was sonst) ist dagegen die Hölle.

Riß im Mantel

Veröffentlicht in 21. März 2024

Tagesgedanken Murr x Madrid (Donnerstag)

Recap zu gestern. Meinen Geldbeutel gesucht. Es sind Horror Momente. Oder halt: wenn du zu viele Taschen hast. Minuten später: Geldbeutel wieder da. Aprikosen auch.
Früh aufgewacht, trotz Hotel. Ich wähle gerne Hotelketten mit dem großen Vorteil, das Rad auf das Zimmer mitzunehmen, in der Regel kein Problem ist. Macht vieles einfacher, weil du musst nicht alle Taschen abbauen, deutlich weniger Gerödel. Es sind die kleinen Dinge, die letztlich nerven oder halt nicht. Und dass mein Rad irgendwo steht …. puuuuh.
Sitze im Hotel in der Lobby mit dem Charme von Gelsenkirchen. Kein Frühstück gebucht. Eine Tasse Kaffee geholt. Irgendwie habe ich das Gefühl, man weiß nicht, ob es Kaba ist oder tatsächlich Kaffee. Tut trotzdem gut.
Die heutige Etappe kündigt Höhenmeter an.

Punkt 12:00 Uhr, zur Mittagszeit komme ich in einem kleinen Dorf in einer kleinen Bar an, so wie man sich das vorstellt, wenn man eine italienische oder französische Provinzbar denkt. Gegenüber der Kirche. Menschen sitzen trinken einen Kaffee spielen irgendwelche Glücksspiele und hinter der Bar dampft die Kaffeemaschine. Eine älter Frau, ein älterer Mann trinken ein Glas Sekt. Ich habe sie vorhin rubbeln sehen. Vielleicht verprassen sie ihren Gewinn oder sie feiern ihre Niederlage.
Ein Anderer sitzt in einem an einem der runden Tische vor der Bar und raucht. Trinkt einen Kaffee. »Bonjour Monsieur.« »Bonjour.« Man grüßt sich. Ich mag das. Die Probleme der Welt mögen hier etwas kleiner sein. Das Ortsschild steht auf dem Kopf.
Paar Kilometer weiter nächstes Dorf. An der Weg Kreuzung, vor der Kirche, ein Mahnmal. Geschmückt mit den Farben der Trikolore. 46 Frauen und Männer allein aus diesem Dorf sind beim ersten Weltkrieg zu Tode gekommen. Was für eine Sinnlosigkeit. Ich werde es nie verstehen können, warum eine Nation eine andere Nation angreift. Und dazu braucht es keinen Festakt, à la deutsch-französischen Freundschaft, die gut ist aber unnötig, wenn Menschen Menschen achten. Man sollte einen Mahnmal für den Frieden bauen, denn irgendwann sind die Toten tot und irgendwann auch vergessen. wenn sich selbst Angehörige nicht mehr erinnern.
Nachdem gestern die Dichtmilch (gibt es wirklich, ist zu 100% kuhlos), ich fahre tubeless, bestens funktionierte, macht es heute wieder PFFTT. Scharfe kleine Steine, Dornen, Glassplitter, keine Ahnung. Also heraus mit dem Werkzeug, YouTube Film angucken und genau wie beschrieben das Loch stopfen. It works. Aufpumpen und weiterfahren – ein Traum.
Die Hügel habe ich zwischenzeitlich schätzen gelernt, nicht lieben. Das schätzen mal mehr oder weniger je nachdem wie es mir geht, aber auch wie die äußeren Umstände sind. Ich gebe mir mehr Zeit mache kleine Pausen zum erholen. Vielleicht war es heute die schönste Route auf der bisherigen Tour. Bin nicht so gut im Ranken. Radwege, die in Erinnerung bringen, warum das Radfahren so viel Freude macht. Auf schmalen Straßen ist der gegenseitige Respekt größer.
Letztendlich muss ich durch. Die Reiseroute nach Madrid steht. Ach ja Madrid, da war ja noch was.

Weiße Autos

Veröffentlicht in 20. März 2024

Tagesgedanken Murr x Madrid (Mittwoch)

Was ein Tag. Hätte ich das früher gewusst. 100 Kilometer auf und ab. Nichts (ok zwei Rampen) wildes. Aber permanent. Als passionierter Kanal-Entlang-Pedaleur eine Herausforderung. Und die Erkenntnis – so früh so gut in Form sein, ist nicht. Form egal – viel aufrecht. Die Anstiegen beugen mich.


Aber der Reihe nach: aufstehen. Aus dem Schlafsack raus. Das ist noch mal eine ganz andere Liga, als nur die Bettdecke zur Seite zu kippen. Das Zeltdach möglicherweise feucht vom Atmen.
Außentemperatur 7°. Mein Schlafsack hat Wohlfühl-Temperatur -5%. Da mir schnell friert, deshalb ok. Eine Wissenschaft für sich. Die aufgehende Sonne macht alles einfacher und angenehmer. Die Morgenroutine ist, Dinge so verstauen, dass du sie wieder findest. Vermisse übrigens meine getrockneten Aprikosen. Keine Ahnung, wo sie sich versteckt halten. Kaum zu glauben, mit so wenig Ladefläche. Dann Zähneputzen für nen feinen minzigen Geschmack. Kannst du einbeinig deine Socken anziehen? Vielleicht so ein Ding, dass man verlernt, wenn man nicht regelmäßig übt. Dann mal los, der Tag und die nächsten Kilometer warten. Auch die Höhenmeter. Ich bin vorgewarnt. Den Kaffee gibt es unterwegs. Ich will ja ankommen, wo immer das heute auch sein wird. Ein kleines Ziel habe ich – später dann auch erreicht. 18 Uhr 25 fahre ich vors Hotel. Akkus laden. Unterwegs nicht wirkliche Alternativen gesehen. Vielleicht sollte ich kein Ziel definieren. Morgen plane ich kürzer. Die Route etwas verändert. Radwegeschilder schenken mir irgendwie Sicherheit. Wie die Skipiste, die am Ende des Tages noch mal kontrolliert wird.

Die Tage vorher überlegt – ich war ja auch in der Nähe – nach Lyon zu fahren. Dort spielt heute Abend, Toni Kroos. Frankreich vs. Deutschland. Wenn Toni mir schon entgegenkommt. ZWINKER.
Aber Grundregel eins beim Bike Packing. Ich bin nicht und will auch nicht der Bikepacking-Guru sein. Den Begriff Papst lasse ich wissentlich weg. Bin ja nicht katholisch. Jeder und Jede sollte seinen, ihren eigenen Weg finden. Diese entstehen ja erst beim Gehen, singt Heinz-Rudolf Kunze. Das gilt auch für Ausrüstung übrigens nicht einfach irgendwelche Listen anschauen, die mit denen anderen durch die Welt zu tingeln. Du musst auch hier deine eigene Dinge für dich finden, die dir wichtig sind. Den kleinen Falthocker den ich eingepackt habe ist jedenfalls scheiße. Mir fehlt nur der Mut den wegzuwerfen. Ich schau mir solche Filme natürlich sehr gerne an, weil sie Motivation und Inspiration sind.
Zurück zur Grundregel: meide Großstädte viel Verkehr, schwierige Verkehrsführung, Ampeln, volle Konzentration nötig, macht 0,0 Freude. Deshalb nicht Lyon, sondern eine andere französische Kleinstadt. Mit der Idee in einer französischen Kneipe das Fußballspiel anzuschauen. Fündig wurde ich nicht. Spiel ist erst Samstag, lese ich gerade. Ah.
Trotz den Auf und Abs (auch bei mir) tolle Landschaft. Viele Wiesen und Weiden. Und Hecken. Weiße Kühe, eine Menge an Pferden. Eines lehnt seinen Kopf an einen Baum. Ein Haus mit mehr als zehn Fenstern wird wohl Chateau genannt. Kleine Straßen (passen kaum 2 Autos aneinander vorbei) am Rand nette Häuser, klein wie die Straße selbst. Bilderbuch oder es nagt der Zahn der Zeit. Viele leerstehend, verfallen oder zum Verkauf. Was willst du auch dort außer Kunstmaler oder Schriftstellerin zu sein. Oder Rentner*in sein. Dörfer mit Kirchen. Dörfer ohne Kirchen. Kirchen ohne Dörfer. Und so richtig abseits … Stuttgart21 lässt grüßen. Hier fertig.

Außer es sollte ein Bahnhof werden. Die wenigen Autos und Lieferwagen sind meist weiß. Mit Ab- und Anstand vorbeifahrend. Manche winken. Steile These: Je bunter die Autos, desto unentspannt.